Geburtsbericht Jule
Jule berichtet über die schnelle Geburt ihres Sohnes und ihre Erfahrungen mit den HypnoBirthing-Techniken.
Da bist du endlich, kleiner Karl.
9.12.2021, 40 + 3 SSW
Wir wachen am Morgen auf und merken, dass sich der kleine Mann im Bauch immer noch nicht auf den Weg zu uns machen möchte. Wir starten mit einem großen Frühstück in den Tag, putzen nochmal die Wohnung und beschließen dann noch eine kleine Runde mit unserem Hund Gassi zu gehen.Während des Spaziergangs merke ich schon ein leichtes Ziehen im unteren Rücken. Wir beschließen daraufhin den Spaziergang etwas abzukürzen und umzudrehen. Zu Hause mache ich mir ein kleines Mittagessen und beschließe gegen 14.45 Uhr mich nochmal für ein Schläfchen ins Bett zu legen. Ich bemerke einZiehen im Unterleib, ähnlich wie bei einer Regelblutung. Aus Neugier mach ich die Wehen-App an und lass sie aufzeichnen, wann ich ein Ziehen spüre und wann nicht. Alle 5 Minuten kommt eine Welle, die etwa eine Minute lang andauert.
Ich bin aufgeregt. Das ist der Abstand, bei dem man sich im Krankenhaus melden soll.
Gegen 15.30 Uhr gehe ich zurück ins Wohnzimmer und sage M., dass er sich vorsichtshalber auch etwas zu Essen machen soll. Er fragt warum. Ich sage ihm, dass ich ein regelmäßiges Ziehen im Unterleib spüre. Er lächelt und berichtet mir später, dass sich sofort eine Nervosität in ihm breit gemacht hat.
Ich lege mich wieder ins Bett, tracke weiter meine Wehen und beschließe gegen 16 Uhr in der Geburtsklinik anzurufen.
Das Telefonat ist etwas ernüchternd. Die Hebamme rät uns so lange wie möglich zu Hause bleiben, weil zu Hause die Atmosphäre immer entspannter ist.
Wir wollen uns trotzdem langsam auf den Weg machen und beschließen, dass M. nochmal mit dem Hund raus geht und ich alle Sachen zusammensuche und unter die Dusche springe. Marco rät mir die Regenbogenentspannung anzumachen, während er spazieren geht. Ich bin aber schon zu nervös. Das Ziehen im Unterleib wird langsam stärker. Ich merke, dass ich bei den Wellen lieber liegen möchte. Im Stehen kann ich die Wellen nicht so gut veratmen, wie ich mir das erhofft habe.
17.07 Uhr rufe ich nochmal in der Geburtsklinik an und sage, dass wir uns jetzt auf den Weg machen würden. Wir dürfen kommen und fahren los.
Jetzt macht sich unser Baby auf den Weg.
Gegen 17.45 Uhr erreichen wir die Geburtsklinik.
Hebamme Antonia erwartet uns vor dem Kreissaal. Sie nimmt mich mit herein und macht mit mir ein CTG. M. muss währenddessen draußen warten.
Die Wellen werden wieder etwas stärker.
Ich versuche mich strikt an die Ballonatmung zu halten. Nach der ersten vaginalen Untersuchung das ernüchternde Ergebnis: der Muttermund ist 1cm geöffnet. Hebamme Antonia macht uns 3 Vorschläge. Ich darf über Nacht in der Geburtsklinik bleiben. M. müsste aber wieder nach Hause fahren. Ich finde diesen Vorschlag nicht gut. Der zweite Vorschlag heißt auch mit nach Hause fahren. Ich finde diesen Vorschlag noch weniger gut. Der dritte Vorschlag heißt Spazieren gehen und anschließend zwischen dem ersten und dem zweiten Vorschlag zu entscheiden. Mir ist nicht nach Spazieren gehen. Ich entscheide mich also für die erste Variante und bin etwas traurig. Ich möchte nicht, dass M. nach Hause gehen muss.
Gegen 18.30 Uhr darf M. endlich mit in den Kreissaalbereich und Hebamme Antonia zeigt uns mein Zimmer für die Nacht. Wir dürfen nochmal ans Buffet gehen. Essen klingt gut. Meine letzte Mahlzeit war schließlich 14.00 Uhr.
Der Weg zum Buffet ist anstrengend. Nein, ich hätte jetzt sicherlich nicht raus spazieren gehen können.
Ich möchte nur liegen. Die Wellen werden immer stärker.
Die Ballonatmung fällt zunehmend schwerer. An die Regenbogenentspannung ist nicht mehr zu denken. Zwischen den Wellen geht es mir aber wunderbar. Nach Essen ist mir mittlerweile nicht mehr, ich bekomme gerade mal eine saure Gurke herunter.
Ich gehe auf Toilette und bemerke etwas Blut in meiner Unterwäsche. Zurück im Bett sage ich M., dass ich nicht möchte, dass er irgendwo hin geht. Ich möchte, dass er bei mir bleibt. Seine Nähe beruhigt mich und gibt mir während der Wellen Kraft.
Kurz darauf öffnet sich um 19.20 Uhr mit einer weiteren Welle meine Fruchtblase.
Ein seltsames Gefühl. Wieder bin ich froh, einfach nur im Bett liegen zu dürfen. Ich bitte M. die Hebamme zu rufen und berichte ihr von der geöffneten Fruchtblase. Sie freut sich und macht uns wieder Vorschläge zum weiteren Verlauf. Zunächst möchte sie wieder ein CTG machen. Anschließend möchte sie mir einen Einlauf legen und mich dann mal in die Badewanne lassen. Ich weiß nicht, ob mich in meinem jetzigen Zustand die Badewanne entspannen würde und bin skeptisch, willige aber ein. Probieren kann ich es ja. Sie beginnt die Bänder vom CTG um meinen Bauch zu legen. Ich fühle mich nicht gut.
Ich denke darüber nach, ob Schmerzmittel nicht doch hilfreich sein würden.
Die Wellen fühlen sich mittlerweile anders an, sind unangenehm, stark und drücken nach unten. Ich berichte Hebamme Antonia, dass ich das Gefühl habe bei den einzelnen Wellen mitdrücken zu müssen. Sie fragt mich, ob sie nochmal eine vaginale Untersuchung vornehmen soll. Ich stimme zu, verstehe aber akustisch das Ergebnis nicht richtig. Hebamme Antonia meint, dass wir uns auf den Weg in den Kreissaal machen sollten. Später erfahre ich, dass zu diesem Zeitpunkt der Muttermund komplett geöffnet war. Wir nutzen die Zeit zwischen den Wellen und laufen in den Kreissaal. Unterwegs überkommt mich wieder eine Welle mitten auf dem Gang. Wieder muss ich drücken und befürchte, dass das Baby jetzt hier auf den Boden fällt. Hebamme Antonia und M. müssen mich stützen. Meine Beine haben keine Kraft mich zu halten.
Nach der Welle setzen wir unseren Weg fort und erreichen um 19.45 Uhr den Kreissaal.
Ich lege mich wieder seitlich auf die Liege. M. nimmt sich einen Stuhl und setzt sich neben mich. Ich versuche noch schnell zwischen den Wellen meine Kleidung zu wechseln. Ich trage ein Hemd, dass ich nach der Geburt schnell aufknöpfen kann. Die Wellen werden unerträglicher. Ich versuche dennoch strikt die Ballonatmung anzuwenden. Bei den Vorbereitungen hat das so gut funktioniert. Jetzt benötige ich ca. 3 Atemzüge pro Welle.
Ich befürchte, dass meine Seitenlage für die Entbindung nicht ideal ist. Im Stehen oder Hocken würde die Geburt sicher schneller voranschreiten. Ich bin aber nicht mehr in der Lage aufzustehen und beschließe mich in den Vier-Füßler-Stand zu begeben. Nein, das hilft auch nicht wirklich weiter und verursacht nur Schmerzen im Rücken. Ich lege mich also wieder in die Seitenlage.
Hebamme Antonia rät mir, bei Wellen, die sich nach einem Drücken anfühlen ruhig mit zu drücken und bei Wellen ohne dieses Gefühl weiter bei mir zu bleiben.
Ich befolge diesen Rat und merke wirklich einen Unterschied zwischen den Wellen. Irgendwann betritt eine weitere Frau den Kreissaal, ich habe keine Ahnung wer das ist. Sie setzt sich an meine Füße und hält mein oberes Bein nach oben. Eine unglaubliche Erleichterung. Später erfahre ich, dass das die Geburtsärztin war. Ich bekomme den Hinweis, dass das Köpfchen schon sichtbar ist und ich bei der nächsten Welle drücken soll. Hebamme Antonia legt ihre Hand an meinen Damm. Der leichte Druck von außen ist ein super erleichterndes Gefühl.
2 Wellen später ist der Kopf draußen. Ein unbeschreibliches Gefühl. Gleich ist es geschafft. Die Geburtsärztin bemerkt, dass ich lächle und fragt, ob ich das Köpfchen berühren möchte. Ganz kurz kann ich es ertasten. Es fühlt sich aber seltsam an. Mit der nächsten Welle wird das Baby dann aber endlich bei uns sein. Meine Gefühle in den Moment kann ich nicht beschreiben.
Das Warten auf die nächste Welle fühlt sich ewig an. Dann ist es endlich so weit. Die mit Abstand heftigste und längste Welle durchfährt meinen Körper. 20.28 Uhr ist unser Baby da! Sofort legt Hebamme Antonia unseren kleinen Schatz auf meine Brust.Ich bin überwältigt. Da bist du endlich, kleiner Karl.
M. darf die Nabelschnur durchschneiden.
Gegen 20.45 Uhr soll ich bei der nächsten Welle nochmal mit unterstützend drücken, damit die Plazenta mitgeboren werden kann. Hebamme Antonia zeigt und erklärt uns anschließend den Aufbau der Plazenta. Interessant, dass sieht man ja nicht alle Tage. Nach Hause wollen wir sie trotzdem nicht mitnehmen.
Nach der Geburt wird sich mein Intimbereich nochmal angeschaut und die kleinen gerissenen Stellen werden genäht.
Dann werden wir bis 22 Uhr mit unserem kleinen Baby im Kreissaal allein gelassen und können das Wunder auf meiner Brust bestaunen und uns über die Geburt unterhalten. Es geht uns sehr gut. Wir lachen und küssen uns. Wer hätte gedacht, dass es dann doch so schnell über die Bühne geht. Wir malen uns aus, was passiert wäre, wenn wir nicht auf meinen Körper gehört hätten und spazieren oder gar nach Hause gefahren wären. Wir sind unendlich dankbar über den Verlauf der Geburt.
Kurz vor Ende ihrer Schicht kommt Hebamme Antonia nochmal ins Zimmer und sagt uns wie toll ich das gemacht habe. Sie hat noch nie gesehen, dass jemand das Baby so „nach unten geatmet hat“.
Ich hatte nicht den Eindruck, dass mir das nach unten atmen besonders gut gelungen ist, aber ich freue mich über ihres schönen Worte und bin erstaunt über ihre Wahrnehmung.
Nach der Geburt haben mich viele gefragt, ob der Hypnobirthing-Kurs etwas gebracht hat oder nicht. Für uns beide und auch für unseren Sohn Karl möchte ich diese Erfahrung unter keinen Umständen missen. Auch wenn ich mich unter der Geburt nicht in einem hypnotischen Zustand befunden habe,
habe ich in dem Kurs gelernt, auf meinen Körper zu hören und meinem Kind zu vertrauen. Die Vorstellung, dass sich mit jeder Welle unser Kind einen Schritt näher in unsere Arme macht, hat uns auch über die kurze, aber dafür intensive Zeit, ermutigt. Ebenso fand ich die Vorstellung schön, dass das Baby selbst entscheidet, wenn es zu uns stoßen mag.
Und auch wenn wir schon ungeduldig waren, hätte Karl sich keinen schöneren Tag aussuchen können, denn am 9.12. wurde auch sein Urgroßvater geboren. Und was wäre dieser stolz gewesen, wenn er dieses Ereignis noch hätte erleben dürfen.
Ich erinnere Dich daran, mit Dir in Verbindung zu sein.